Der klebrige Reis der ersten Tage

Hallo zusammen! 大家好!

Ich kann es kaum glauben, dass ich bereits fast einen Monat in Shanghai lebe. Es ist verrückt. In der ersten Woche war ich voller Entdeckerlust, habe den Campus erkundet, wildfremde Menschen gefragt was sie machen, mich zu Gruppen gesetzt, das Gespräch zu Chinesen gesucht, einen Studenten in der Mensa angesprochen um nicht so alleine zu sein und ich habe nach dem Prinzip gelebt, dass ich mich einsam genug fühlen möchte um mutig auf neue Menschen zugehen zu können.

Nur Mut

Wenn man die Initiative ergreift und Studenten anspricht, dann sind hier alle sehr nett und offen. Ich kann noch nicht viel mehr als Smalltalk sprechen, aber dieser Gruppe habe ich zum Beispiel beim Kartenspielen zugeschaut und ein paar Sätze verwenden können. Auch nach einer halben Stunde hatte ich die Regeln des Spiels noch nicht verstanden, aber die Hauptsache ist ja dass ich viel Chinesisch höre, nicht wahr?

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„Was macht ihr daaa?“ „Wir spielen Karten.“ „Darf ich gucken wie das geht?“ 

Live Life und viele bunte Lichter

Eines Abends waren auf einer Wiese viele Lichter und Menschen, die im Kreis saßen und weil ich so schrecklich neugierig bin musste ich mir das näher anschauen. Auf meine Frage: „Was macht ihr daaa?“ bekam ich als Antwort: „Setz dich hin, komm her, wir haben auch Essen und Trinken.“ und schwupps saß ich inmitten von Studenten im ersten Semester, die gerade dabei waren sich neu kennen zu lernen.

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Under my umbrella

Alle waren sehr nett und als es plötzlich anfing zu regnen, bat mir die Chinesin neben mir gleich an unter ihren Schirm zu kommen. Links von uns saßen andere Studenten im Gras, die jedoch ohne Schirme im Regen ausharrten. Später stellte ich fest, dass das die Ausländer waren (wirklich niemand von ihnen hatte einen Schirm) und sie hatten sich bloß zufällig zur gleichen Zeit am gleichen Ort getroffen. Wir spielten Spiele zusammen und sangen Lieder und irgendwie fühlte ich mich sehr verzaubert. Ich fühlte mich willkommen, auch wenn ich mich selbst eingeladen hatte. An diesem Abend bekam ich mindestens 10 neue Wechat Anfragen, denn wen man auch trifft, man wird sofort gefragt ob man Wechat hat, das chinesische Whatsapp. So kann man in Kontakt bleiben, auch wenn im Endeffekt nur wenige sich tatsächlich melden.

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Feiertage und am Sonntag Unterricht

Da das chinesische Mondfest in der ersten Unterrichtswoche war, habe ich die freie Zeit genutzt um auf eigene Faust die Stadt zu entdecken. Das war ein Erlebnis, denn erstaunlicherweise kann ich mich gut zurecht finden, solange ich eine Karte habe und weiß wo die nächste U-Bahn Station ist. Das Science Museum ist nicht nur aufgrund seiner Architektur einen Besuch wert, ich habe es ganz besonders genossen, dass sehr viele Familien dorthin gehen. Es gibt auf mehreren Etagen große Ausstellungsflächen mit einer riesigen Tierwelt, Robotern und vielen anderen Dingen. Es ist ganz schön was los und das ist toll, wenn man viel Chinesisch hören möchte und gerne unter Leuten ist. Am Sontag war dann Unterricht, damit wir den Unterrichtsstoff von Freitag nicht verpassen.

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Halt mal kurz!

Fast wäre ich in Versuchung gekommen dieses Känguru im Museum zu kaufen, wer mich kennt der weiß warum. Doch ich konnte gerade noch widerstehen, auch wenn es so knuffig und niedlich war.

Wo ist die Bevölkerung?

Als ich den Eingang für das 上海艺术馆 Shanghai Kunst Museum gesucht habe, passierte mir mein erstes sprachliches Missgeschick. Ich fragte aus Versehen: „人口在那里?“ was übersetzt bedeutet: „Wo ist die Bevölkerung?“. Dabei wollte ich eigentlich fragen: „入口在那里?“ meine eigentliche Frage: „Wo ist der Eingang?“

人口   (Bevölkerung)  und   入口 (Eingang)

Ja diese Zeichen sehen sich zum Verwechseln ähnlich, werden jedoch anders ausgesprochen und haben zwei komplett unterschiedliche Bedeutungen! Auf den Schildern in der U-Bahn lese ich immer das Zeichen für Eingang und habe es aus Versehen verwechselt mit der Aussprache des anderen Zeichens. Verwirrend… Für diesen Versprecher habe ich komische Blicke geerntet und zwei Chinesinnen ziemlich zum Lachen gebracht.

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In dieses wunderschöne Kunstmuseum bin ich ganz umsonst gekommen, aber ich habe mich ehrlich gesagt etwas verloren gefühlt und werde auf jeden Fall noch einmal dort hin gehen und mich mit viel Zeit und Geduld in den großen Ausstellungsflächen zurechtfinden. Im Museum waren zwei Jungs, die mich baten ein Schild zu halten und vorzulesen was dort drauf stand. Ich verstand zwar nur die Hälfte, lächelte aber freundlich und machte mit. Zum Glück stand auf dem Schild bloß: „Ich weiß, dass ich im Museum nicht essen darf.“ (wie mir im Nachhinein erklärt wurde) und nicht so etwas wie: „Ich bin ein Kunstbanause und würde lieber etwas essen gehen.“

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Da ich niemals alle Eindrücke in Worte packen kann, folgen nun ein paar Fotos:

Shanghai bei Regen

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Plötzlich zücken alle ihren Regenschirm!

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Skyline von Shanghai aus dem Science Museum 

20160918_124347.jpgEin kleiner, wunderschöner Teich auf dem Campus der Uni

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Die Frucht des Grauens: Durian! Kein Kamel dieser Welt bringt mich dazu sie zu essen.

Woche 2 Klappe die erste und Action!

Am Montag der zweiten Woche an der Uni entschied ich mich am Morgen spontan eine Rede vor den neuen ausländischen Studenten zu halten. Ich habe so unglaublich viel Zeit in die zwei Reden für den Chinese Bridge Wettbewerb gesteckt, dass ich mich freue, wenn ich die Gelegenheit dazu habe, den mühsam gelernten Text noch einmal vorzutragen.

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So stand ich dann plötzlich vor einem vollen Saal und trug meine Rede vor, die ich für den Wettbewerb in Heidelberg vorbereitet hatte. Vor lauter Aufregung und aufgrund schlechter und viel zu kurzer Vorbereitung vergaß ich ein paar Sätze, doch das war nicht so wichtig. Vor so vielen Menschen habe ich noch nie gesprochen und auch wenn die Aufregung sehr groß war, so hatte ich nichts zu verlieren. Außerdem wollte ich schon immer einmal Miss. Anne Jorinde Wiese lesen, das sieht gleich sehr offiziell aus.

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Chinesisch Lernen: Ohne Fleiß keinen Reis, äh Preis. 

Nach diesem aufregenden und gelungenem Start in die zweite Woche zogen sich die Tage in die Länge. Wir wurden überschüttet mit Aufgaben, Aufsätzen, neuen Vokabeln, Diktaten und so weiter. Wenn mir irgendwann einmal jemand sagt, dass es einfach ist in China Chinesisch zu lernen und dass es einem nur so zufliegt, dann werde ich das vehement bestreiten. Ich bin sehr froh darüber, dass der Sprachunterricht wirklich gut ist, aber das heißt noch lange nicht, dass es einfach ist. Es ist sehr anstrengend und zeitaufwändig, aber immerhin spüre ich hier, dass es voran geht. Das wird schon werden, ich darf nur nicht aufgeben.

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Zeichen um Zeichen um Zeichen…

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Das Lernen macht draußen viel mehr Spaß, auch wenn die Mücken fies sind.

Fragen des großen Kamels

Das große Kamel hat mal wieder nicht locker gelassen und mir dieses Mal 12 Fragen gestellt, welche ich nach bestem Wissen beantwortet habe. Danke dafür!

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Et voilà! Dem neugierigen Kamel sei Dank könnt ihr jetzt 12 Fragen und 12 Antworten live und direkt aus Shanghai lesen:

  1. Wie ist das Trinkwasser im Wohnheim. Muss man es abkochen oder besser gar nicht trinken?

Ich habe mich bisher nicht getraut das Leitungswasser abzukochen, aber das macht hier jeder und so spart man sich die tägliche Wasserschlepperei. Abgekocht kann man das Wasser gut trinken, wurde mir gesagt, aber frisches Leitungswasser ist es trotzdem nicht. (Anmerkung: In der Zwischenzeit bin ich auch dazu übergegangen ab und zu das Wasser abzukochen. Es ist einfach 太麻烦 (zu anstrengend) immer die 4 Liter Wasser Kanister zu schleppen.)

        2.     Frühstücken die Chinesen alle in der Kantine oder jeder in seinem Zimmer oder gar nicht?

Ich glaube, dass der Großteil der Studenten morgens in der Kantine frühstückt. Was es da Feines gibt habe ich bislang noch nicht herausgefunden, aber ich tippe mal schwer auf warmes Essen, Reisporridge, Nudelsuppen und ähnliches. Ich bleibe da lieber ganz europäisch bei meinen Haferflocken mit Milch, Joghurt und Früchten. (Anmerkung: Mittlerweile habe ich mich schon mehrmals morgens in die Kantine getraut. Es ist sehr interessant zu sehen, dass auch Chinesen gerne etwas länger schlafen, in diesem Punkt ähneln sich wohl alle Studenten dieser Welt und deshalb kommt es zu einer regelrechten Kantinen Rush Hour ab 7:20. Es gibt ziemlich viel Auswahl am Morgen und ich habe mich noch nicht durch alles durchprobiert. Gefüllte Baozi, gefüllte Teigkugeln mit roter Bohne Paste, Omelette ähnelnde Pfannkuchen, Reis Porridge und Nudelsuppe.)

         3.     Kann man in Shanghai einen „Cappuchino“ auf Italienisch bestellen oder versteht das kein Barister?

Das Wort für Cappuchino habe ich erst gestern gelernt und es ist ziemlich genial. Es gibt einige Wörter im Chinesischen, die den Laut des englischen Wortes nachahmen und so heißt zum Beispiel „Cappuchino“ auf Chinesisch 卡布其诺(= kǎbùqínuò). Es hört sich also an wie Cappuchino, ist aber Chinesisch. Ich habe bisher ein Café entdeckt, das sehr guten Cappuchino macht, der wie zuhause schmeckt. Ich bemühe mich immer beim Bestellen „Cappuchino“ möglichst Chinesisch klingen zu lassen.

 4.     Spricht deine Chinesisch Lehrerin überhaupt kein Englisch?

Meine 4 Chinesisch Lehrerinnen (Normaler Sprachkurs, Lese-, Schreibe- und Hörverständnis) sprechen in der Regel kein Englisch mit uns. Das finde ich aber auch sinnvoll, denn wir sind ja hier um Chinesisch zu lernen. Manchmal vergessen sie aber, dass wir noch nicht 100 Prozent verstehen was sie sagen und deshalb plappern sie munter auf Chinesisch weiter, obwohl wir längst den Faden verloren haben und 听不懂 (nichts mehr verstehen). Das ist manchmal echt anstrengend und nur eine Lehrerin weiß genau was wir verstehen und passt sich unserem Level an. Da habe ich immer das Gefühl mehr als 90 Prozent zu verstehen und fühle mich sehr gut. Doch wenn die andere Lehrerin loslegt, kommen nur noch knapp 60 Prozent bei mir an.

Sogar die neue Grammatik wird ausschließlich auf Chinesisch erklärt. Ich finde aber auch das gut, denn selbst wenn ich Grammatik Regeln kenne und verstanden habe, muss ich sie immer noch anwenden können. Also macht es nichts, wenn ich ab und zu nicht die Logik dieser Grammatik verstehe, viel wichtiger sind die Beispielsätze, daraus werde ich meistens schlauer.

  5.     Ist der Himmel immer noch blau?

Der Himmel war immer wieder blau, gerade ist er jedoch grau und voller Regenwolken.

6.     Was passiert mit dem Smog wenn es regnet, wird er dann aus der Luft gewaschen und man kann besser atmen?

Wenn es regnet, dann wird die Luft sehr dämpfig und man fühlt sich wie in einer Waschküche. Ob das die Luft reinigt weiß ich ehrlich gesagt nicht so genau, aber besser atmen kann man auf keinen fall.

7.     Was war das für ein Park mit Brücken und Wasser, von dem du uns Bilder geschickt hast, ist das etwa der Campus?

Ja, das ist der Campus! Es ist viel grüner als ich erwartet hatte und es gibt kleine Anlagen mit einem Bach, einem Teich und eben diesem kleinen Häuschen auf dem Teich. Das ist wirklich schön und ich gehe immer extra nur die schönen Wege um ein bisschen grün und Wasser zu sehen.

8.     Wie viele Studenten leben auf dem Campus?

Ich habe sie gestern gezählt. Es waren sehr viele. Das muss ich nachschauen, aber gefühlt ist das hier eine Kleinstadt. (Circa 55.000 Studenten) This is craaazy!

9.     Wollen in Shanghai auch alle Chinesen Fotos mit dir machen?

Bis jetzt noch nicht, aber manchmal werden mir Blicke zugeworfen. Es gibt in Shanghai viele Ausländer, aber trotzdem wird man manchmal angestarrt. Es liegt sicher an meinem blonden, lockigen Haar und der langen Nase, auf die ich sehr stolz bin.

10. Wie weit ist es vom Campus zum Hafen, kannst du dahin laufen?

Wenn man einmal anfängt zu laufen, läuft man sich hier die Füße platt. Eigentlich ist die Innenstadt gar nicht so groß, die Distanzen sind machbar. Trotzdem ist es viel angenehmer eine der 16 U-Bahn Linien zu nehmen um Zeit und Kraft zu sparen.

11. Shanghai liegt am Meer: Gibt es auch irgendwo in der Umgebung einen Strand?

Ich habe von keinem Strand gehört, werde mich aber erkundigen!

12. Stirbt man, wenn man versucht im Meer zu baden, oder ist es nicht so verschmutzt?

Ich weiß nicht, ob ich das ausprobieren möchte. Es ist sicher nicht sauber!

 

Es verwirrt Menschen sehr, wenn Sätze plötzlich Kokosnuss.

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Viele liebe Grüße ans andere Ende der Welt!

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The Happy Jori since 1994

+++++ In eigener Sache – Eilmeldung: In China ist ein Sack Reis umgefallen – Neuigkeiten des Tages +++++

Sehr geehrte Damen und Herren, Ich begrüße Sie ganz herzlich zur heutigen Tagesschau. Es spricht das kleine Kamel Jorinde 小骆驼 direkt für Sie live aus China. Ganz besonders darf ich heute einem alten Kamel gratulieren, welches bereits viele Jahre auf dem Buckel hat, mehrere Sprachen im Kopf und viele Worte auf der Zunge, mein altes Elterntier! Papa ich wünsche dir alles Gute zum Geburtstag. Schade dass ich auf Reisen bin, aber schön dass du ein Jahr weiser bist! Lass es dir gut gehen! 我祝你生日快乐!Mögest du durch viele Wüsten wandern und dabei stets genügend Oasen finden.

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„Hallo zusammen, ich bin das kleine Kamel! Ich trinke gerne Wasser!“

Es ist in den letzten zwei Wochen so Neues passiert, dass ich gar nicht weiß wovon ich anfangen soll zu erzählen. Ich bin nun also ein kleines Kamel, weil ich mein Trinkwasser in 4 Liter Kanistern kaufe und unfassbar viel trinke am Tag. Meine flauschigen Ohren haben sich schon sehr an Chinesisch gewöhnt und ich laufe unbeirrbar durch Shanghai. Manchmal werde ich aufgrund meines blondes Fells angeschaut, dann lächel ich jeweils konsequent zurück.

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Sommer, Sonne, Sonnenschirm

Ich habe sehr viele nette Menschen getroffen, neue Dinge erlebt, habe viele Geschichten zu erzählen und ich versuche all das mit Fotos und kleinen Anekdoten hier auf dem Blog einzufangen, bevor der Wahnsinn der ersten Tage sich in einen Alltagstrott verwandelt und mir alles sehr bekannt und nicht mehr erwähnenswert vorkommt.

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Ein lustiges Bild, weil ich weiß dass Leser schnell gelangweilt sind von reinem Text. Ertappt?

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Und weil es so schön war gleich noch eins! Jetzt aber weiter im Text…

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Nun sind alle Leser gewarnt!

Es geht mir also wie man unschwer erkennen kann gut, auch wenn ich große Bedenken hatte vor dieser Reise ins Ungewisse. Nicht alles ist einfach, aber dafür bin ich ja auch nicht hier. Ich mag Herausforderungen! 

Da mein Geburtstagsbrief an das alte Kamel in der Schweiz wohl mit einigen Tagen Verspätung ankommen wird, werde ich hier seine 14 Fragen an mich beantworten. Ich muss dazu sagen, dass es sich um eine ganz besonders neugierige Spezies von Kamel handelt, denn mittlerweile sind die Fragen noch zahlreicher geworden! Danke dafür! Wer mir übrigens Briefe schreiben möchte, der darf das gerne tun! Ich liebe Briefe und werde mit viel Freude zurückschreiben! Hier ist meine Anschrift in Shanghai:

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Die Adresse: 四平路 1239 号 2 层 209 室同济大学留学生楼 1 号楼 Jorinde Wiese

Ich wohne direkt auf dem Campus der Tongji Universität in Shanghai. Die Stadt ist riesig, der Campus auch, aber zum Glück habe ich ja lange Beine, einen langen Hals und eine lange Nase. Außerdem hat doch schon Oscar Wilde gesagt:

„Wer ein Kamel als Freund hat, der hat auch mit Sicherheit eine Giraffe als Nachbarn. Nee.. Moment mal. Wie ging der Spruch nochmal? Ach ich kann mir diese Sprüche immer so verdammt schlecht merken.“

-Oscar Wilde- 

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Ohne lange um den heißen Brei herumzureden komme ich nun zu den 14 Fragen des alten Kamels. Mögest du dir die Antworten auf deiner Kamelzunge zergehen lassen.

Et voilà:

  1. Wie ist dein Zimmer? 

Mein Zimmer ist sehr geräumig und ich habe Ausblick auf einen kleinen Park mit Bäumen und einem Seerosenteich. Hör auf zu träumen Jori. Nein. Es ist recht klein, der Ausblick auf das hässliche Gebäude gegenüber ist nicht erwähnenswert, aber zum Glück teilen wir uns das Zimmer nur zu zweit und dank dem Hochbett hat man immerhin ein bisschen Privatsphäre. Am Anfang kam ich mir vor wie in einer Hobbithöhle, da alles wirklich ziemlich klein ist und ich sehr groß, aber mittlerweile fühle ich mich wohl. Es ist kein Platz für Unordnung da, dafür ist es zu klein, aber es hat alles was man zum Leben braucht.

Die chinesischen Studenten teilen sich mit mindestens 4 Leuten das Zimmer und müssen lange bis zur Dusche laufen. Da können wir doch froh sein, dass all das inklusive und im Zimmer ist. Generell geht es im Ausländerwohnheim sehr unkompliziert zu. Wir sind nicht einmal nach Frauen und Männern getrennt, niemand kontrolliert die Zimmer und man hat seine Ruhe. Bis ein paar Studenten laut grölend nachts von einer Party züruckkommen, aber das ist wohl noch ein Überbleibsel europäischer Trinkkultur. Da wünsche ich mir manchmal im chinesischen Wohnheim zu sein, aber da sind die hier strikt dagegen.

Den Ausländern soll ein hoher Standard garantiert werden. Dass manche gerne auf den Standard verzichten würden und lieber unter Leute kommen wollen, wird nicht akzeptiert. Es kann aber auch daran liegen, dass es so wenige Wohnheimsplätze für Chinesen gibt. Wenn da auch noch Ausländer wohnen wollten, wäre es sicher noch viel schwieriger die Zimmervergabe zu organisieren.

  1. Wer ist deine Zimmernachbarin?

Meine Zimmernachbarin ist sehr nett, sie heißt Jannat und kommt aus Kirgisistan. Sie hat hier bereits ein Semester studiert und kennt sich somit schon ganz gut auf dem Campus aus. Das Internetproblem und die Klimaanlage habe ich jedoch eigenhändig am ersten Tag hier in Ordnung bringen müssen, da ich im Gegenteil zu ihr keine Angst habe mich mit Händen und Füßen mit den Technikern auf Chinesisch zu unterhalten. Wir verstehen uns gut und ich hoffe das bleibt so, denn Platz für Streit ist nicht. Platz zum Ausweichen erst recht nicht.

  1. Hast du nur Kurse bis Mittag?

Bislang habe ich nur Unterricht von 8:00-12:00 und das erinnert mich sehr an alte Schulzeiten. Ich bin sehr froh darüber, auch wenn man manchmal morgens in der Früh keine Lust hat. Es gibt jedoch noch zusätzliche Angebote wie einen Kalligrafie Kurs oder spezielle Vorbereitungen für die HSK Prüfungen (ein Chinesisch Zertifikat). Ich finde aber dass der intensive Unterricht am Vormittag durchaus ausreichend ist. Mehr würde in meinen Kopf nicht reingehen und Hausaufgaben haben wir auch genügend, ganz zu schweigen von all den neuen Vokabeln und Grammatik Regeln…

Ich bin freiwillig in den D-Kurs gegangen (Die Niveaus gehen von A = Anfänger bis G = Muttersprachlerniveau) und deshalb bin ich gut gefordert. Das ist aber auch sinnvoll, denn spätestens in ein paar Monaten würde ich mich sicherlich in dem C-Kurs langweilen und solange ich dem Unterricht folgen kann und viel dazu lerne bin ich gerne in diesem Kurs.

  1. Habt ihr eine Klimaanlage im Zimmer?

Ja wir haben eine Klimaanlage im Zimmer, die wie gesagt erst einmal repariert werden musste. Meine Zimmernachbarin reagiert jedoch allergisch darauf, mit tränenden Augen und so weiter, daher nutzen wir sie lediglich um die Luft im Zimmer ab und zu abzukühlen. Nachts bleibt die Klimaanlage aus und oben im Hochbett ist es kuschelig warm und die Luft stickig, aber ich werde es überleben.

  1. Ist es auch nachts heiß? (Anmerkung des kleinen Kamels: Du stellst aber viele Fragen!) 

Es kühlt schon etwas ab am Abend, aber wenn es am Tag heiß war, dann ist es auch nachts heiß. Kein Wunder waschen die Studenten hier so oft ihre Bettwäsche, es ist einfach hygienischer. Übrigens werden die Sachen dann über Parkbänken in der Sonne getrocknet, oder gelüftet. Ich glaube das mache ich auch mal, außerdem sieht es lustig aus.

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Trocknende Wäsche in der Sonne auf dem Campus

  1. Ist der Himmel immer noch blau?

Erstaunlicherweise ja! Mir wurde gesagt, dass aufgrund des G20 Gipfels einige Fabriken abgestellt wurde und dadurch der Smog abgenommen hat. Warum auch immer, aber der Himmel ist trotzdem noch blau und ich freue mich über jeden Tag an dem ich den blauen Himmel sehen kann. Wenn es nur grau weiß bewölkt ist, dann fehlt mir etwas.

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Wenn das kein blauer Himmel ist!

  1. Hast du einen Kühlschrank im Zimmer oder in der Gemeinschaftsküche?

Wir haben tatsächlich einen Kühlschrank im Zimmer, aber nur weil irgendein Student vor unserer Zeit im Wohnheim diesen Kühlschrank gekauft hat. Dem Himmel sei Dank! In diesem Wohnheim gehört ein Kühlschrank nicht zur Ausstattung, es gibt ein anderes Gebäude und dort ist es immer inklusive. Ich bin heilfroh darüber, weil ich so morgens Müsli mit Joghurt und Früchten essen kann und nicht gleich alles kaputt geht.

Wir haben eine Gemeinschaftsküche, die jedoch nur aus einer Kochplatte und einer Mikrowelle besteht. Wunderwerke kann man da nicht zaubern! Es gibt eine Elektrizitätskarte, wenn man dort kochen möchte. Lustigerweise kosten wenige Minuten nicht einmal einen Yuan, man zahlt also minimale Cent-Beträge und hat trotzdem eine Karte dafür. So ganz verstehe ich das System nicht. Vielleicht hat einmal ein Student 24 Stunden am Tag Popcorn gemacht, oder irgendetwas gekocht und seitdem muss man selbst dafür aufkommen. Ich weiß es nicht.

  1. Wie lange musst du zum Kurs laufen?

Erst dachte ich, dass die International School, in der wir unsere Sprachkurse haben, nur einen Katzensprung vom Wohnheim entfernt ist. So sah es zumindest auf der Karte aus, aber ich hatte vergessen, dass der Campus riesig ist. Mein Weg zum Kurs ist ziemlich genau 1.8 km lang. Ich habe nicht meine Schritte gezählt, aber ich habe eine Uhr, die das kann und wenn ich morgens trödel, dann komme ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu spät zum Unterricht.

  1. Wie viele Leute sind im Kurs?

Wir sind offiziell 23 Leute, aber da wir bis zu 40 Fehlstunden haben dürfen ohne dass uns etwas passiert, gibt es ein paar die ich nie sehe. Die Leute die jedoch anwesend sind, sind alle sehr nett, kommen aus verschiedenen Länder, haben unterschiedliche Niveaus und insgesamt ist die Atmosphäre in der Klasse sehr locker und lustig.

10. Wie ist der Unterricht? Frontal? Dürft ihr auch was sagen?

Ehrlich gesagt hatte ich mit Frontalunterricht gerechnet, 40 Leute in einem Raum, der Lehrer redet und wir sprechen nach, oder so ähnlich. Das Gegenteil davon ist eingetreten! Bislang sind alle Lehrerinnen sehr nett, sehr motiviert und sehr unterstützend. Sie fordern uns und wollen dass wir viel Chinesisch sprechen, unsere Hausaufgaben machen, Vokabeln lernen etc. aber selbst der Grammatik Unterricht ist sehr locker und macht Spaß. Ich habe das Gefühl, dass wir hier einfach viel mehr Zeit für den Unterrichtsstoff haben! An der Uni ist immer so viel Druck mit dem Stoff durchzukommen und hier haben wir genügend Zeit auch mal ein Musikvideo anzuschauen, oder viele Beispielsätze zu machen. Das ist toll und damit habe ich überhaupt nicht gerechnet.

11. Wo kommen die anderen Teilnehmer her?

Es sind einige Koreaner und Japaner bei uns im Kurs, aber auch Deutsche, ein Amerikaner, eine Französin und andere Nationalitäten (Jemen, Togo, Griechenland, Ecuador etc.) Mit ein paar Ausnahmen lernen wir alle seit ungefähr 2 Jahren Chinesisch, manche waren bereits länger in China, andere sind zum ersten Mal hier. Ich glaube wir ergänzen uns alle sehr gut.

12. Wer kontrolliert deine Hausaufgaben? (Anmerkung des kleinen Kamels: Du stellst aber unnötige Fragen.)

Jeden Abend müssen wir uns unten in einer Reihe aufstellen mit unserem Studentenausweis und jeweils 5 Lehrer stempeln unsere Hausaufgaben. Wer sie nicht gemacht hat muss in der Kantine die Teller waschen, oder andere Ämter übernehmen. Nein Quatsch. Ich weiß noch nicht was passiert, wenn man keine Hausaufgaben macht, da der Unterricht erst vor wenigen Tagen begonnen hat. Ich habe jedoch von Jannat gehört, dass die Hausaufgaben oft eingesammelt werden und der Lehrer sich alles einzeln anschaut. Was für ein Aufwand! Ich glaube aber, dass wir im Prinzip selbst verantwortlich sind, ob wir nun machen was wir machen sollen, oder nur unsere Zeit absitzen im Kurs und ansonsten bloß Party machen. Falls du damit indirekt fragen willst ob ich denn meine Hausaufgaben ordentlich erledige: Ja Papa.

13. Wo warst du laufen: In einer Indoor Halle?

Am ersten Tag an der Uni hatte ich abends noch zu viel Energie und bin draußen joggen gegangen. Durch Zufall lief eine Chinesisch barfuß und joggend an mir vorbei und ich fand das lustig und bin ihr gefolgt. Dadurch habe ich im Dunkeln die Laufbahn entdeckt, die jedoch von einem hohen Zaun umgeben ist. Als niemand auf meine Rufe reagiert hat, wie man denn da reinkommt, bin ich selbst im Dunkel über eine Wiese getappt und habe eine große Treppe gefunden. Abends laufen da immer einige Studenten, andere sitzen aber auch nur auf der Tribüne und unterhalten sich.

      14. Schickst du uns ein Foto von deinem Zimmer? (Anmerkung des kleinen Kamels: Die folgenden Sätze sind bloß faule Ausreden. „Ich muss erst einmal aufräumen.“, wären entwaffnend ehrliche Worte!)

Na klar das mache ich, aber es ist so klein dass ich wohl mehre Fotos schicken muss. Ich kann mich sehr glücklich schätzen, denn selbst in dem anderen Wohnheim mit höherem Standard gibt es Zimmer, die sehr heruntergekommen sind. Bei uns sehen die Wände einigermaßen ordentlich aus und auch wenn alles sehr klein ist, kann man sich doch wohl fühlen. Und das ist doch die Hauptsache!

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Danke fürs Lesen bis hierhin- Lesen ist anstrengend, ich weiß! 

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Aber weißt du was noch viel anstrengender ist? Chinesisch Lernen…

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Da steht: Vorsicht Kopf! Ich muss immer aufpassen, sonst ist der Kopf voll Kokosnuss.

Auf Wiedersehen und bis zum nächsten Mal 🙂

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Ich verabschiede mich nun und wünsche dem alten Kamel einen schönen Tag und schicke viele liebe Grüße in die Schweiz! Hoffentlich hast du dort viel frisches Wasser und einen leckeren Kuchen! Den anderen Lesern wünsche ich viel Sonnenschein! Lasst es euch gut gehen da draußen, am anderen Ende der Welt. Ich vermisse vieles, bin aber auch gut dort angekommen, wo ich jetzt bin. Schreibt mir gerne!

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Liebe Grüße aus Shanghai,

Jori 🙂