Hallo zusammen! 大家好!
Ich kann es kaum glauben, dass ich bereits fast einen Monat in Shanghai lebe. Es ist verrückt. In der ersten Woche war ich voller Entdeckerlust, habe den Campus erkundet, wildfremde Menschen gefragt was sie machen, mich zu Gruppen gesetzt, das Gespräch zu Chinesen gesucht, einen Studenten in der Mensa angesprochen um nicht so alleine zu sein und ich habe nach dem Prinzip gelebt, dass ich mich einsam genug fühlen möchte um mutig auf neue Menschen zugehen zu können.
Nur Mut
Wenn man die Initiative ergreift und Studenten anspricht, dann sind hier alle sehr nett und offen. Ich kann noch nicht viel mehr als Smalltalk sprechen, aber dieser Gruppe habe ich zum Beispiel beim Kartenspielen zugeschaut und ein paar Sätze verwenden können. Auch nach einer halben Stunde hatte ich die Regeln des Spiels noch nicht verstanden, aber die Hauptsache ist ja dass ich viel Chinesisch höre, nicht wahr?
„Was macht ihr daaa?“ „Wir spielen Karten.“ „Darf ich gucken wie das geht?“
Live Life und viele bunte Lichter
Eines Abends waren auf einer Wiese viele Lichter und Menschen, die im Kreis saßen und weil ich so schrecklich neugierig bin musste ich mir das näher anschauen. Auf meine Frage: „Was macht ihr daaa?“ bekam ich als Antwort: „Setz dich hin, komm her, wir haben auch Essen und Trinken.“ und schwupps saß ich inmitten von Studenten im ersten Semester, die gerade dabei waren sich neu kennen zu lernen.
Under my umbrella
Alle waren sehr nett und als es plötzlich anfing zu regnen, bat mir die Chinesin neben mir gleich an unter ihren Schirm zu kommen. Links von uns saßen andere Studenten im Gras, die jedoch ohne Schirme im Regen ausharrten. Später stellte ich fest, dass das die Ausländer waren (wirklich niemand von ihnen hatte einen Schirm) und sie hatten sich bloß zufällig zur gleichen Zeit am gleichen Ort getroffen. Wir spielten Spiele zusammen und sangen Lieder und irgendwie fühlte ich mich sehr verzaubert. Ich fühlte mich willkommen, auch wenn ich mich selbst eingeladen hatte. An diesem Abend bekam ich mindestens 10 neue Wechat Anfragen, denn wen man auch trifft, man wird sofort gefragt ob man Wechat hat, das chinesische Whatsapp. So kann man in Kontakt bleiben, auch wenn im Endeffekt nur wenige sich tatsächlich melden.
Feiertage und am Sonntag Unterricht
Da das chinesische Mondfest in der ersten Unterrichtswoche war, habe ich die freie Zeit genutzt um auf eigene Faust die Stadt zu entdecken. Das war ein Erlebnis, denn erstaunlicherweise kann ich mich gut zurecht finden, solange ich eine Karte habe und weiß wo die nächste U-Bahn Station ist. Das Science Museum ist nicht nur aufgrund seiner Architektur einen Besuch wert, ich habe es ganz besonders genossen, dass sehr viele Familien dorthin gehen. Es gibt auf mehreren Etagen große Ausstellungsflächen mit einer riesigen Tierwelt, Robotern und vielen anderen Dingen. Es ist ganz schön was los und das ist toll, wenn man viel Chinesisch hören möchte und gerne unter Leuten ist. Am Sontag war dann Unterricht, damit wir den Unterrichtsstoff von Freitag nicht verpassen.
Halt mal kurz!
Fast wäre ich in Versuchung gekommen dieses Känguru im Museum zu kaufen, wer mich kennt der weiß warum. Doch ich konnte gerade noch widerstehen, auch wenn es so knuffig und niedlich war.
Wo ist die Bevölkerung?
Als ich den Eingang für das 上海艺术馆 Shanghai Kunst Museum gesucht habe, passierte mir mein erstes sprachliches Missgeschick. Ich fragte aus Versehen: „人口在那里?“ was übersetzt bedeutet: „Wo ist die Bevölkerung?“. Dabei wollte ich eigentlich fragen: „入口在那里?“ meine eigentliche Frage: „Wo ist der Eingang?“
人口 (Bevölkerung) und 入口 (Eingang)
Ja diese Zeichen sehen sich zum Verwechseln ähnlich, werden jedoch anders ausgesprochen und haben zwei komplett unterschiedliche Bedeutungen! Auf den Schildern in der U-Bahn lese ich immer das Zeichen für Eingang und habe es aus Versehen verwechselt mit der Aussprache des anderen Zeichens. Verwirrend… Für diesen Versprecher habe ich komische Blicke geerntet und zwei Chinesinnen ziemlich zum Lachen gebracht.
In dieses wunderschöne Kunstmuseum bin ich ganz umsonst gekommen, aber ich habe mich ehrlich gesagt etwas verloren gefühlt und werde auf jeden Fall noch einmal dort hin gehen und mich mit viel Zeit und Geduld in den großen Ausstellungsflächen zurechtfinden. Im Museum waren zwei Jungs, die mich baten ein Schild zu halten und vorzulesen was dort drauf stand. Ich verstand zwar nur die Hälfte, lächelte aber freundlich und machte mit. Zum Glück stand auf dem Schild bloß: „Ich weiß, dass ich im Museum nicht essen darf.“ (wie mir im Nachhinein erklärt wurde) und nicht so etwas wie: „Ich bin ein Kunstbanause und würde lieber etwas essen gehen.“
Da ich niemals alle Eindrücke in Worte packen kann, folgen nun ein paar Fotos:
Shanghai bei Regen
Plötzlich zücken alle ihren Regenschirm!
Skyline von Shanghai aus dem Science Museum
Ein kleiner, wunderschöner Teich auf dem Campus der Uni
Die Frucht des Grauens: Durian! Kein Kamel dieser Welt bringt mich dazu sie zu essen.
Woche 2 Klappe die erste und Action!
Am Montag der zweiten Woche an der Uni entschied ich mich am Morgen spontan eine Rede vor den neuen ausländischen Studenten zu halten. Ich habe so unglaublich viel Zeit in die zwei Reden für den Chinese Bridge Wettbewerb gesteckt, dass ich mich freue, wenn ich die Gelegenheit dazu habe, den mühsam gelernten Text noch einmal vorzutragen.
So stand ich dann plötzlich vor einem vollen Saal und trug meine Rede vor, die ich für den Wettbewerb in Heidelberg vorbereitet hatte. Vor lauter Aufregung und aufgrund schlechter und viel zu kurzer Vorbereitung vergaß ich ein paar Sätze, doch das war nicht so wichtig. Vor so vielen Menschen habe ich noch nie gesprochen und auch wenn die Aufregung sehr groß war, so hatte ich nichts zu verlieren. Außerdem wollte ich schon immer einmal Miss. Anne Jorinde Wiese lesen, das sieht gleich sehr offiziell aus.
Chinesisch Lernen: Ohne Fleiß keinen Reis, äh Preis.
Nach diesem aufregenden und gelungenem Start in die zweite Woche zogen sich die Tage in die Länge. Wir wurden überschüttet mit Aufgaben, Aufsätzen, neuen Vokabeln, Diktaten und so weiter. Wenn mir irgendwann einmal jemand sagt, dass es einfach ist in China Chinesisch zu lernen und dass es einem nur so zufliegt, dann werde ich das vehement bestreiten. Ich bin sehr froh darüber, dass der Sprachunterricht wirklich gut ist, aber das heißt noch lange nicht, dass es einfach ist. Es ist sehr anstrengend und zeitaufwändig, aber immerhin spüre ich hier, dass es voran geht. Das wird schon werden, ich darf nur nicht aufgeben.
Zeichen um Zeichen um Zeichen…
Das Lernen macht draußen viel mehr Spaß, auch wenn die Mücken fies sind.
Fragen des großen Kamels
Das große Kamel hat mal wieder nicht locker gelassen und mir dieses Mal 12 Fragen gestellt, welche ich nach bestem Wissen beantwortet habe. Danke dafür!
Et voilà! Dem neugierigen Kamel sei Dank könnt ihr jetzt 12 Fragen und 12 Antworten live und direkt aus Shanghai lesen:
- Wie ist das Trinkwasser im Wohnheim. Muss man es abkochen oder besser gar nicht trinken?
Ich habe mich bisher nicht getraut das Leitungswasser abzukochen, aber das macht hier jeder und so spart man sich die tägliche Wasserschlepperei. Abgekocht kann man das Wasser gut trinken, wurde mir gesagt, aber frisches Leitungswasser ist es trotzdem nicht. (Anmerkung: In der Zwischenzeit bin ich auch dazu übergegangen ab und zu das Wasser abzukochen. Es ist einfach 太麻烦 (zu anstrengend) immer die 4 Liter Wasser Kanister zu schleppen.)
2. Frühstücken die Chinesen alle in der Kantine oder jeder in seinem Zimmer oder gar nicht?
Ich glaube, dass der Großteil der Studenten morgens in der Kantine frühstückt. Was es da Feines gibt habe ich bislang noch nicht herausgefunden, aber ich tippe mal schwer auf warmes Essen, Reisporridge, Nudelsuppen und ähnliches. Ich bleibe da lieber ganz europäisch bei meinen Haferflocken mit Milch, Joghurt und Früchten. (Anmerkung: Mittlerweile habe ich mich schon mehrmals morgens in die Kantine getraut. Es ist sehr interessant zu sehen, dass auch Chinesen gerne etwas länger schlafen, in diesem Punkt ähneln sich wohl alle Studenten dieser Welt und deshalb kommt es zu einer regelrechten Kantinen Rush Hour ab 7:20. Es gibt ziemlich viel Auswahl am Morgen und ich habe mich noch nicht durch alles durchprobiert. Gefüllte Baozi, gefüllte Teigkugeln mit roter Bohne Paste, Omelette ähnelnde Pfannkuchen, Reis Porridge und Nudelsuppe.)
3. Kann man in Shanghai einen „Cappuchino“ auf Italienisch bestellen oder versteht das kein Barister?
Das Wort für Cappuchino habe ich erst gestern gelernt und es ist ziemlich genial. Es gibt einige Wörter im Chinesischen, die den Laut des englischen Wortes nachahmen und so heißt zum Beispiel „Cappuchino“ auf Chinesisch 卡布其诺(= kǎbùqínuò). Es hört sich also an wie Cappuchino, ist aber Chinesisch. Ich habe bisher ein Café entdeckt, das sehr guten Cappuchino macht, der wie zuhause schmeckt. Ich bemühe mich immer beim Bestellen „Cappuchino“ möglichst Chinesisch klingen zu lassen.
4. Spricht deine Chinesisch Lehrerin überhaupt kein Englisch?
Meine 4 Chinesisch Lehrerinnen (Normaler Sprachkurs, Lese-, Schreibe- und Hörverständnis) sprechen in der Regel kein Englisch mit uns. Das finde ich aber auch sinnvoll, denn wir sind ja hier um Chinesisch zu lernen. Manchmal vergessen sie aber, dass wir noch nicht 100 Prozent verstehen was sie sagen und deshalb plappern sie munter auf Chinesisch weiter, obwohl wir längst den Faden verloren haben und 听不懂 (nichts mehr verstehen). Das ist manchmal echt anstrengend und nur eine Lehrerin weiß genau was wir verstehen und passt sich unserem Level an. Da habe ich immer das Gefühl mehr als 90 Prozent zu verstehen und fühle mich sehr gut. Doch wenn die andere Lehrerin loslegt, kommen nur noch knapp 60 Prozent bei mir an.
Sogar die neue Grammatik wird ausschließlich auf Chinesisch erklärt. Ich finde aber auch das gut, denn selbst wenn ich Grammatik Regeln kenne und verstanden habe, muss ich sie immer noch anwenden können. Also macht es nichts, wenn ich ab und zu nicht die Logik dieser Grammatik verstehe, viel wichtiger sind die Beispielsätze, daraus werde ich meistens schlauer.
5. Ist der Himmel immer noch blau?
Der Himmel war immer wieder blau, gerade ist er jedoch grau und voller Regenwolken.
6. Was passiert mit dem Smog wenn es regnet, wird er dann aus der Luft gewaschen und man kann besser atmen?
Wenn es regnet, dann wird die Luft sehr dämpfig und man fühlt sich wie in einer Waschküche. Ob das die Luft reinigt weiß ich ehrlich gesagt nicht so genau, aber besser atmen kann man auf keinen fall.
7. Was war das für ein Park mit Brücken und Wasser, von dem du uns Bilder geschickt hast, ist das etwa der Campus?
Ja, das ist der Campus! Es ist viel grüner als ich erwartet hatte und es gibt kleine Anlagen mit einem Bach, einem Teich und eben diesem kleinen Häuschen auf dem Teich. Das ist wirklich schön und ich gehe immer extra nur die schönen Wege um ein bisschen grün und Wasser zu sehen.
8. Wie viele Studenten leben auf dem Campus?
Ich habe sie gestern gezählt. Es waren sehr viele. Das muss ich nachschauen, aber gefühlt ist das hier eine Kleinstadt. (Circa 55.000 Studenten) This is craaazy!
9. Wollen in Shanghai auch alle Chinesen Fotos mit dir machen?
Bis jetzt noch nicht, aber manchmal werden mir Blicke zugeworfen. Es gibt in Shanghai viele Ausländer, aber trotzdem wird man manchmal angestarrt. Es liegt sicher an meinem blonden, lockigen Haar und der langen Nase, auf die ich sehr stolz bin.
10. Wie weit ist es vom Campus zum Hafen, kannst du dahin laufen?
Wenn man einmal anfängt zu laufen, läuft man sich hier die Füße platt. Eigentlich ist die Innenstadt gar nicht so groß, die Distanzen sind machbar. Trotzdem ist es viel angenehmer eine der 16 U-Bahn Linien zu nehmen um Zeit und Kraft zu sparen.
11. Shanghai liegt am Meer: Gibt es auch irgendwo in der Umgebung einen Strand?
Ich habe von keinem Strand gehört, werde mich aber erkundigen!
12. Stirbt man, wenn man versucht im Meer zu baden, oder ist es nicht so verschmutzt?
Ich weiß nicht, ob ich das ausprobieren möchte. Es ist sicher nicht sauber!
Es verwirrt Menschen sehr, wenn Sätze plötzlich Kokosnuss.
Viele liebe Grüße ans andere Ende der Welt!
The Happy Jori since 1994