Ernsthaft? Schämt ihr euch nicht?

Kleinkunstpreis 2018

Freiburger Kleinkunstpreis für Studierende 2018

Guten Abend meine Damen und Herren, Herzlich willkommen zum Freiburger Kleinkunstpreis für Studierende. Sie werden nachher vier talentierte Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne sehen! Frage ans Publikum: Was studiert ihr?“ „Sport.“ „Ah, die Dame studiert Sport. Das sieht man dir gar nicht an. Nichts für ungut, aber das würde man echt nicht denken.“ Höhö. Willkommen. Hinter der Bühne gehen meine Nerven mit mir durch. Die flachen Witze, die ab jetzt im Minutentakt fallen, schwappen nur sachte in mein Ohr und jucken mich nicht stark. Heute Abend habe ich ganz andere Sorgen.

Wake-Up-Comedy hat Premiere

Zum ersten Mal stehe ich auf einer Bühne und gebe mein neues Wake-Up-Comedy Programm zum Besten. Wake-Up-Comedy? Das ist eine neue Form der Aufklärungscomedy, die wachrüttelt und Menschen aus ihrem genitalen Winterschlaf bringt. Ich habe mich vorbereitet, so gut es ging in den letzten paar Wochen, seit die Zusage zu diesem Wettbewerb kam. Die Chancen stehen gut, denke ich, denn mein Programm ist wissenschaftlich und doch witzig, unterhaltsam, aber nicht flach, voll mit Känguru Insidern und Sprachwitz, Freud-Bashing und einem Lied, das ich mit der Gitarre singen werde.

Die Klitoris – das geflügelte Einhörnchen

Ich werde mit offenen Augen und Ohren empfangen, das Publikum geht mit, krümelt sich teils laut, teils leise vor Lachen in den Stühlen. „Die Klitoris – das geflügelte Einhörnchen“ kommt gut an. Szenenapplaus nach dem Lied 99 Einhörnchen, die Stimmung ist super! Vor lauter Licht sehe ich nur die ersten Reihen. Dort sitzen ältere Semester und amüsieren sich prächtig. Was für ein Gefühl, wenn der Text, den man in mühsamer Kleinarbeit zusammengeschrieben hat, plötzlich als Ganzes auf der Bühne steht und die Pointen Leute zum Lachen bringen. Ich schaffe es keinen einzigen Witz über Frauen, oder Männer, oder Sex zu machen. Nur Sigmund Freud, den nehme ich ein bisschen auf die Schippe, aber meine verbalen Attacken landen nicht unter der Gürtellinie. Es geht, wenn man es will. (Der Kleinkunstpreis als Beitrag von UniTV Freiburg)

Nach mir kommt ein Zauberer. Er macht einen gewagten Trick, einer der im Fernsehen mal schief gegangen ist. „Moderatorin rammt sich Nagel in die Hand.“, der Beweisartikel hängt am Tisch auf der Bühne. „Klar war das die blonde Moderatorin, wer sonst wäre so doof und würde sich einen Nagel in die Hand rammen?“, denke ich mir im Nachhinein. Applaus!

Der dritte Kandidat ist ein Solo-Künstler, der Musik studiert und bereits auf zahlreichen Bühnen Deutschlands und der Schweiz mit seinem Programm aufgetreten ist. Ich frage mich, warum der Kleinkunstpreis eigentlich nicht Bodo Wartke auch eine Bühne bietet, der hat immerhin Klavier Kabarett mit niveauvollem Humor im Programm. Vielleicht ist er ja auch noch Student im 38. Semester.

Witzig / nicht witzig

Auf ein „schlechtes Lied“, so der Titel, der Text ist nicht einmal selbst geschrieben, folgen Ausflüge ins Leben des Kleinkünstlers. Ich muss ganz schön schlucken, was heute noch auf Bühnen zum guten Ton gehört. Besonders bemerkenswert war die Pointe eines Liedes, in dem der Künstler über ein Date berichtet. Eine Frau will von ihm Lieder hören, er sei ja Pianist, doch er will einfach nur mit ihr schlafen. „Noch ein Lied und noch eins!“, bittet sie und merkt plötzlich: „Du, kann das sein, dass du nur mit mir schlafen willst?“, fragt sie und die Antwort ist ein pointierter Reim, an dem man sicher lange tüfteln musste, bis er richtig passte. (Leider konnte ich mir diesen genial gereimten Satz nicht Wort für Wort merken, aber in meiner Erinnerung klang er so: „Ich will nicht nur, dass du mit mir schläfst, sondern dass du mir einen (…)“ Applaus! Hohe Kunst! Welcher Reim und erst der Inhalt! Witze auf Kosten von Frauen zu machen ist so erbärmlich und hinterlässt einen fahlen Nachgeschmack, aber Applaus!

*Anmerkung (der komplette Text von Florian Wagner im Wortlaut)

„Das ist ein schnelles Liebeslied, nicht so langsam wie die andern.

Ein schnelles Liebeslied und lässt du mich nicht ran dann,

singe ich so lang bis du nicht mehr so rumzickst und endlich mit mir (fickst) tanzt.

Bist ne super süße Maus und jetzt zieh dich endlich aus.

Und lässt du mich nicht ran, dann singe ich so lang,

dass du heute nicht mehr schläfst und mir endlich einen (bläst) Tanz beibringst.“

Zizazaubershow

Der nächste Kandidat hat eine Zaubershow zu bieten, mit der er schon international auf Tour war. Sein Programm beginnt mit einer Liebesgeschichte, wie er sich in ein blondes Mädchen verliebt hat, die auf dem Bild, welches er in der Hand hält einen starken Überbiss hat und leer in den Raum schaut. Diese Angebetete wird von einer Frau im Publikum verkörpert, die sich eine blonde Perücke überziehen soll und spontan mitspielt. Sie rockt die Show und macht ohne mit der Wimper zu zucken mit. Ach wie witzig, dass dieser junge Zauberer sich in so ein Mädchen verliebt, als ob sie die schönste Göttin des Zauberhimmels sei. Applaus.

Die Jury zieht sich zur Beratung zurück.

Trommelwirbel und ein dramatischer Tusch

Nach einer überlangen Pause wird das Ergebnis bekannt gegeben. Es sei dieses Jahr besonders schwer gewesen, da in der Jury keine Einigkeit geherrscht hätte, wer den ersten Platz verdient hat. Der große Kleinkünstler des Abends wird unruhig. Wie, sein Programm an dem er so lange getüftelt hat, war etwa nicht überragend witzig genug um auf Anhieb zu überzeugen? Kurze dramatische Pause. Und der erste Preis geht an den Kleinkünstler! Jubel. Applaus.

KleinkunstpreisENDE

K(l)einkünstler auf dem ersten Platz

Ich weiß nicht was an diesem Abend bewertet wurde, aber falls es Originalität und Unterhaltungswert waren und nicht Professionalität, dann frage ich mich wirklich wie das zustande kam. Oder hat die Unterhose überzeugt? Oh wie groß wäre der Aufschrei gewesen, hätte ich mich auf der Bühne in Unterhose hingestellt. Aber Mann darf das ja. Ist ja witzig! Wenn wirklich so eine große Uneinigkeit geherrscht hat, wer den ersten Preis verdient hat, da frage ich mich, warum man nicht den ersten und zweiten Preis zusammenlegt und das Preisgeld aufteilt. Es geht mir dabei gar nicht um das Geld, sondern viel mehr um Anerkennung. Aber gut, das sind nur theoretische Überlegungen. Der werte Herr in Unterhose aus München, hat sich sicher über die leicht verdienten 500 Euro gefreut. Das Programm war ja schon letztes Jahr fertig geschrieben. Danke für den zweiten Preis, er bestätigt mich darin, dass es Zeit für eine Veränderung ist.

Nach der Show können Sie unsere Künstler noch anfassen.“, witzelt der Moderater. „Mich nicht.“, rufe ich laut dazwischen. „Na gut aber wenigstens berühren.“, schiebt er hinterher.

Sexismus als Programm

Versteht mich bitte nicht falsch. Ich bin froh, dass es solche Veranstaltungen gibt! Ich frage mich nur wo die Fairness bleibt und warum es in Ordnung ist Frauen als Programm so runterzumachen. Das könnte man den Moderator auch mal fragen, der ist ja erfolgreich mit aufgesprungen. Richtig witzig war das! Ich würde mich übrigens freuen, wenn mir jemand eine gute Erklärung geben könnte für die Vergabe des ersten Preises an einen Kleinkünstler, der es witzig findet, dass eine Frau lacht wie ein Schwein und darüber Lieder singen kann. Es steht außer Frage, dass ich immer noch etwas dazu lernen kann und offen bin für Meinungen anderer Menschen, solange sie über der Gürtellinie bleiben.

Meinungen aus dem Publikum

„Man hat im Kontrast zu dir auch gemerkt wie „armselig“, aber leider auch gesellschaftlich anerkannt manche Sachen sind. Frauen (wenn auch irgendwie „nett“) zu verarschen mit blonder Perücke und dummen Sprüchen. Ganz zu schweigen vom Piano Männlein. Inhaltlich fand ich ihn echt bissle peinlich.“

„Es war so ein krasser Gegensatz… Da stehst du auf der Bühne, mit so viel Mut und einer so wichtigen Message und den restlichen Abend dacht ich mir… Ernsthaft? Schämt ihr euch nicht? Gerade wenn vorher so ein Text, wie von dir kommt?“

„Wirklich schade, dass sich der vernünftige Teil der Jury nicht durchsetzten konnte. Fand es übrigens auch sehr stark, wie du am Ende diesem unsäglich schrecklichen Moderator mit deinem „mich darf man nicht anfassen“ Kontra gegeben hast.“

Nächstes Ziel: Ladies Night