KiWi und die „Vergewaltigungslyrik“

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Nina Fuchs setzt sich gegen K.o. Tropfen ein und hat eine Petition gestartet um für ihr Verfahren zu kämpfen, welches eingestellt werden sollte, obwohl es DNA-Beweise im Falle ihrer Vergewaltigung gab. Im aktuellen Petitionsupdate schreibt sie am 11. April 2020:

„Liebe Unterstützer*innen,

ihr habt vielleicht auch im Laufe der Woche die Debatte um das Vergwaltigungsgedicht von Rammstein-Sänger Till Lindemann verfolgt. Das Gedicht beschreibt auf eine verherrlichende und beschönigende Weise eine Vergewaltigung unter dem Einfluss von K.-o.-Tropfen. Wie ihr alle wisst, ist mir genau das passiert und ein solches Gedicht löst bei mir neben absolutem Unverständnis vor allem Wut aus. Wut darüber, dass die Gefühle der zahlreichen Opfer von sexualisierter Gewalt einfach keine Priorität haben, Wut darüber, dass hier eine Rape Culture gefördert und salonfähig gemacht wird, und vor allem Wut darüber, dass das Ganze mit Kunstfreiheit gerechtfertigt wird. Ich habe einen offenen Brief an den Autor, den Herausgeber und den Verleger geschrieben und eine Woche lang vergeblich versucht, eine Zeitung zu finden, die ihn publiziert. Es hat mich sehr traurig gemacht, dass niemand bereit war, diesen Brief abzudrucken, und möchte jetzt meine kleine Plattform hier nutzen und den Brief selbst veröffentlichen:

Offener Brief an den Autor Till Lindemann, den Herausgeber Alexander Gorkow (Süddeutsche Zeitung) und Helge Malchow, stellvertretend für den Verlag Kiepenheuer & Witsch (KiWi)

Sehr geehrte Herren Lindemann, Gorkow und Malchow,

wie Ihnen sicherlich nicht entgangen ist, findet derzeit eine hitzige Diskussion im Netz statt. Grund dafür ist der von Ihnen, Herr Lindemann, geschriebene Gedichtband „100 Gedichte“, der wiederum bei Ihnen, Herr Malchow, im Verlag Kiepenheuer & Witsch (KiWi) erschienen ist und von Ihnen, Herr Gorkow, herausgegeben wurde. Genauer gesagt ist der Grund dafür ein bestimmtes Gedicht aus diesem Buch, das auf eine verherrlichende Art und Weise eine Vergewaltigung unter K-o.-Tropfen schildert und welches mit dem Schlusssatz endet: „Und du schläfst / es ist ein Segen“ (aus „Wenn du schläfst“).

Nun kann ich Ihnen als eine Frau, die exakt das von Ihnen, Herr Lindemann, beschriebene Szenario der Vergewaltigung unter K.-o.-Tropfen selbst erlebt hat, aus eigener Erfahrung versichern: Es ist KEIN Segen! Im Gegenteil. Es gehört zu den wohl schrecklichsten Erfahrungen, die ein Mensch in seinem Leben machen kann, und ist in höchstem Maße traumatisierend. Aber damit ist der Alptraum ja nicht zu Ende. Nein, eigentlich beginnt er da erst so richtig. Wir leben nämlich in einer Gesellschaft, in der Opfern nicht geglaubt wird und ihnen sogar eine Mitschuld zugesprochen wird, in der Täter kaum vor Gericht gestellt werden oder im Falle eines tatsächlichen Prozesses, freigesprochen werden oder mit lachhaft niedrigen Strafen davonkommen. Und wir leben in einer Gesellschaft, in der Frauen auf widerliche, sexistische Weise in Rap-Songs entwürdigt und beleidigt werden (zahlreiche Beispiele finden Sie im Rahmen der #UnhateWomen-Kampagne, hier nur eines davon: „Baller der Alten Drogen ins Glas, Hauptsache Joe hat seinen Spaß“, Bonez MC & Gzuz, „Lebenslauf“); in einer Gesellschaft, in der unter dem Deckmäntelchen der Kunstfreiheit Gedichtbände erscheinen, deren Inhalt Opfer von sexualisierter Gewalt durch die beschönigende Darstellung einer Vergewaltigung nicht nur absolut verhöhnt, sondern bei ihnen auch eine Retraumatisierung auslöst, was aber von Ihrer Seite billigend in Kauf genommen wird.

Sie, Herr Malchow, erklären in der Stellungnahme Ihres Verlages, dass die moralische Empörung über den Text dieses Gedichts auf einer Verwechslung des fiktionalen Sprechers, dem sogenannten „lyrischen Ich“ mit dem Autor Till Lindemann basiere. Tatsächlich ist es aber total irrelevant, ob ein „lyrisches Ich“ oder ein Herr Lindemann diese Rape Culture verherrlicht und propagiert. Vergewaltigungsliteratur salonfähig machen – ist das das Ziel? Ich kann mich folgenden Worten von Carolina Schwarz (TAZ, Online-Artikel „Vergewaltigungen sind keine Poesie“ vom 3.4.2020) nur anschließen: „Dass aber ein etablierter Verlag und ein Redakteur der Süddeutschen Zeitung denken, diesem gewaltverherrlichendem Text zu großer Öffentlichkeit verhelfen zu müssen, ist enttäuschend. Nach der seit mehr als zwei Jahren anhaltenden #MeToo-Bewegung hätte man sich gewünscht, man wäre gesellschaftlich schon weiter.“

Es macht mich in gleichem Maße wütend und traurig, dass ich hier sitzen und Ihnen allen Ernstes erklären muss, dass Vergewaltigungen bitterste Realität und keine Poesie sind, dass Sie mit Ihrer sog. Kunst ein Bewusstsein in unserer Gesellschaft etablieren, das Gewalt gegen Frauen noch weiter begünstigt, dass Ihr unverantwortliches und fahrlässiges Handeln Konsequenzen für Betroffene hat, dass Ihre traurigen Rechtfertigungen, Ihre Verharmlosungen und Ihre fehlenden Entschuldigungen alles nur noch schlimmer machen und dass Ihre frauenfeindliche und frauenverachtende Haltung zutiefst verletzend ist.

Aber offensichtlich musste es gesagt werden. Und ich hoffe sehr, dass es auch gehört und verstanden wird.

Ich appelliere an Ihren Mut, sich Fehler einzugestehen und sich zu entschuldigen.

Freundliche Grüße
Nina Fuchs“

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Der 🥝 KiWi Verlag reagiert mit einer Stellungnahme am 09.04.2020

Quelle: Twitter @KiWi_Verlag

Das ist ein guter Anfang, aber es reicht nicht.

Sehr geehrte Frau Gleba,

Sie verteidigen mit dieser Stellungname für den KiWi Verlag nicht die Freiheit der Kunst. Sie verteidigen den Autor Till Lindemann, der „Vergewaltigungslyrik“ schreibt. Sie verteidigen Helge Malchow editor-at-large, der das kleine Einmaleins des #LyrischenIchAmArsch auspackte, als er mit Kritik konfrontiert wurde. Sie verteidigen nicht die Kunst und auch nicht die Freiheit der Kunst. Es ist keine Kunst sexualisierte Gewalt zu verherrlichen. Es verteidigt auch keine Freiheit, sie in Form eines „Gedichtes“ in einem Gedichtband zu veröffentlichen.

Es setzt ein Zeichen für Opfer und Betroffene sexualisierter Gewalt: Wir (als Verlag) bieten der Verherrlichung einer Vergewaltigung unter K.o. Tropfen aus Täterperspektive eine Plattform. Wir verteidigen das, weil lyrisches Ich ist ja nicht gleich Autor.

Kennste kennste kennste?

Zitat aus der Stellungnahme: „Er (Till Lindemann) untersucht in vielen seiner Texten und Inszenierungen (…) als Lyriker, Phänomene der Gewalt und der toxischen Männlichkeit und stellt sie in überzeichneter, greller, mal satirischer, mal brutaler Manier in seiner Kunst zur Schau, so auch immer wieder in seinem Gedichtband „100 Gedichte“.

Nein. Das lyrische Ich des Till Lindemanns beschreibt verherrlichend die Vergewaltigung einer Person unter K.o. Tropfen. Das ist keine Satire. Das ist keine brutale Manier. Das ist widerlich. Es ist menschenverachtend. Es ist frauenverachtend, denn der Großteil der K.o. Tropfen Opfer sind Frauen.

Indem Sie diese „Vergewaltigungslyrik“ weiterhin als Kunst bezeichnen, verharmlosen Sie den Inhalt. Warum schreiben Sie: „Sexualisierte Gewalt gegen Frauen gehört benannt und bekämpft.„, machen aber de facto nichts in diese Richtung? Warum benennen Sie nicht was schief gelaufen ist? Warum bekämpfen Sie sexualisierte Gewalt nicht aktiv?

Wir als Aktivist*innen tun das und es macht keinen Spaß. Es ist anstrengend, macht Trauma wach, raubt uns wertvolle Stunden und Energie!
Warum übernehmen Sie als Verlegerin nicht die Verantwortung? Warum haben Sie nicht den Mut zu sagen: „Die gereimte Verherrlichung einer Vergewaltigung unter K.o. Tropfen, geschrieben von Till Lindemann, erzählt von einem misogynen lyrischen Ich akzeptieren wir nicht und wir verurteilen sie.

Warum schreiben Sie nicht, wie bereits in Ihrem letzten Statement geschrieben: „Als Verlag verteidigen wir die Freiheit der Kunst, auch moralisch verwerfliche, abgründige Gefühls- und Gedankenwelten auszuloten und zum Ausdruck zu bringen.“ Und fügen hinzu:

Wir verteidigen die Menschenrechte, wir unterstützen den Kampf gegen Gewalt, wir tragen dazu bei, dass die #RapeCulture in unserer Gesellschaft benannt wird und unterstützen diese nicht. Wenn etwas gegen diese Grundwerte verstößt wie die Verherrlichung einer Vergewaltigung, wie die Verherrlichung von Kindesmissbrauch, wie die Verherrlichung von Rassismus, Antisemitismus, Transfeindlichkeit und Homofeindlichkeit, dann entscheiden wir uns gegen diesen Inhalt. Warum tun Sie das nicht?

https://twitter.com/Fortunately1/status/1248661407169732609

Quelle: Twitter @Fortunately1 )

Kiwiesk 🥝 ist es sexualisierte Gewalt klein zu reden und weiterhin als Kunst zu verkaufen.

Kiwiesk 🥝 ist es das lyrische Ich auszupacken und den Kritiker*innen vor die Füße zu klatschen.

Kiwiesk 🥝 ist es zu sagen, dass Gewalt gegen Frauen benannt und thematisiert werden soll, aber de facto nichts in diese Richtung zu tun.

Kiwiesk 🥝 ist es die Verherrlichung einer Vergewaltigung unter K.o. Tropfen zu drucken und danach zu sagen der Autor würde sich mit Phänomenen toxischer Männlichkeit „beschäftigen“.

Kiwiesk 🥝 ist es erst den Editor-at-large (Helge Malchow) sprechen zu lassen mit einer Stellungnahme und danach die Verlegerin vorzuschicken, um die Kritik flach zu bügeln.

Kiwiesk 🥝 ist es keine Konsequenzen anzukündigen, sondern in Zukunft zu „diskutieren“.

Kiwiesk 🥝 ist es zu betonen, dass sich die Rezeption von sexualisierter Gewalt in der Kunst geändert habe, so als ob das überraschend sei.

Kiwiesk 🥝 ist es zu behaupten man verteidige die Freiheit der Kunst, wenn man in Wirklichkeit einen Autor (Till Lindemann), einen Editor-at-large (Helge Malchow) und ein dahergelaufenes, misogynes, schlecht reimendes lyrisches Ich verteidigt, aber frohe Ostern und so.

#LyrischesIchAmArsch

LyrischesIch

 

#Lindemann Lyrisches Ich am Arsch

Der KiWi Verlag veröffentlichte das Gedicht des *hust* „Poeten“ Till Lindemann in dem eine Vergewaltigung einer Person unter K.o. Tropfen verherrlicht wird. Hier ist der originale Text, ihm wurde bereits genug Plattform geboten, daher verlinke ich den Text nur.

Lorenz Meier schrieb am 2. April 2020 auf Facebook folgende Zeilen und trat damit eine breite Diskussion des Themas los:

Lieber Verlag Kiepenheuer & Witsch,
ich frage mich, wie man drauf sein muss, dass man diese in Pseudo-Lyrik gegossene Vergewaltigungsfantasien eines widerlichen Provozier-Primitivlings ins Programm nimmt.

Und nein, lügt uns jetzt nichts in gestelzten Worten was vor von der „Kunstfreiheit“ und dem „grundgesetzlich garantierten Recht auf freien künstlerischen Ausdruck“. Darum geht es Euch nicht!

Ihr wollt einfach nur Kasse machen mit dem berühmten Namen des Rammstein-Sängers. Und da ist Euch anscheinend jedes Mittel Recht. Sogar, dass Ihr den guten Ruf Eures Verlags mit dieser frauenfeindlichen, gewaltverherrlichenden und sexistischen Kackscheiße besudelt.

Und klar: Wahrscheinlich habt Ihr schlauen Verlagsstrategen die Empörung schon mit eingepreist und wertet sie als „positive Aufmerksamkeit“ oder „kostenlose Werbung“. Möget Ihr Euch verrechnet haben.

Mit unfreundlichen Grüßen
LM

Auf Kritik an dem Inhalt des Gedichts „Wenn du schläfst“ von Till Lindemann fand der KiWi Verlag kein besseres Argument als: Mensch seid ihr alle doof, wisst ihr denn nicht, dass der Autor und das lyrische Ich nicht eins sind?

(Quelle: Twitter @KiWi_Verlag)

Thema verfehlt.

(Quelle: Twitter @jorinde_wiese)

LyrischesIch

Lyrisches Ich am Arsch. Wissen Sie ich bin nicht dumm. Im Gegensatz zu den Lindemanns, Wagners und Dörings dieser Welt verstehe ich, dass das „lyrische Ich“ kein Freifahrtschein für die Verherrlichung von Gewalt ist, für Rassismus/Antisemitismus/Trans- und Homofeindlichkeit. Ich verstehe im Gegensatz zu den Herren, dass die Kunst frei ist und das auch bleibt. Sie alle dürfen ihre Inhalt ja erfolgreich veröffentlichen. Ich verstehe darüber hinaus, dass es ein wichtiger Bestandteil von Kunstfreiheit ist sie dafür zu nutzen um Missstände anzuprangern und Kritik an herrschenden Machtverhältnissen zu üben. Und Kunstkritik gehört zur Kunst dazu.

Ich bin nicht so naiv und setze das „lyrische Ich“ mit dem Autor gleich. Nur befreit es den Autor ja nicht davor sich Kritik zu stellen, wenn er Texte schreibt in denen Gewalt verherrlicht wird und in denen sein ach so tolles „lyrisches Ich“ noch nicht mal Abstand davon nimmt und es in diesen Texten keinen erkenntlichen Bruch gibt, es keine Satire ist und kein schwarzer Humor. Wenn all diese Dinge nicht erfüllt sind, dann ist es ganz einfach eine Beschreibung von einer Vergewaltigung/Femizid mit Reimen und Zeilenumbrüchen. Herzlichen Glückwunsch die Herren Lindemann, Wagner und Döring. Mann nennt es (noch) Kunst bzw. K(l)einkunst was Sie da fabrizieren. Wie lange noch?

Gabriele-Sabrina Bichler schreibt öffentlich auf Facebook: „Vergewaltigung ist keine Fantasie, sie ist keine Kunst. Vergewaltigung ist Gewalt. Vergewaltigung ist real. K.o. Tropfen sind eine der gefährlichsten Substanzen, sie führen zu Muskellähmung und Atemnot, sie sind tödlich. Punkt. Ende der Diskussion. Nein, nicht wir verwechseln den fiktionalen Sprecher mit dem Autor, ihr verwechselt Kunst mit Gewalt! Ich gehe jetzt erst mal kotzen. Dazu war ich übrigens damals nicht mehr fähig, als man mir K.o. Tropfen gab. Meine Freundinnen haben mich nach Hause gebracht. Gottseidank.

(Quelle: Twitter @HatinJuce)

(Quelle: Instagram @ninuschka22)

Till Lindemann wäre ein sehr geeigneten Preisträger für den nächste Freiburger K(l)einkunstpreis. Er kann ja sogar singen und wie sollte man sonst die Ankündigung einer oralen Vergewaltigung „dass du nicht mehr so rumzickst und endlich mit mir (fickst) dass du heute nicht mehr schläfst und mir endlich einen (bläst)“ (Florian Wagner, 1.Platz 2018) und ein Femizid-Lied „Freundin in der Tiefkühltruhe“ (Alex Döring 3. Platz 2019) noch toppen?

Vergewaltigungen sind keine Kunst. Wissen Sie was Lindemann, Wagner und Döring verbindet? Alle drei geben Gewalt eine Bühne und scheinen keine besseren Inhalte/Pointen zu haben als sexualisierte Gewalt oder Femizid aus Täterperspektive. Ach nein, Florian Wagner singt neuerdings über Klopapier. Immerhin ein Fortschritt. Alle drei „Künstler“ schreiben schlecht gereimte Texte, die Grundschüler poetischer dichten könnten. Und alle drei werden in Schutz genommen durch den eigenen Verlag, oder eine „Fachjury“ und die Leitung einer Universität.

Welche Werte verteidigen Sie? Die Kunst, die Freiheit und Menschenrechte ganz bestimmt nicht.